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Erfahrungsbericht zur Hormontherapie mit Androcur (Cyproteronacetat, CPA) – Wie auch alles schief laufen kann!

Ein Erfahrungsbericht von Frau Stefanie R.  zu ihrer Hormon-Ersatz-Therapie mit Androcur (Cyproteronacetat, CPA)

Anmerk. Christin Löhner: Frau R.’s Bericht ist ein Paradebeispiel dafür, dass man durchaus auch zu den 20% gehören kann, bei denen die Medikation mit Androcur (Cyproteronacetat, CPA) gewaltig schief gehen kann!

Dies erzählt Frau R.:

Die Hormonersatztherapie (nachfolgend HET genannt) begann am 03.02.2017 bei einem Urologen in Grimma. Zuvor hatte ich ca. 4 Monate Begleittherapie (nachfolgend BT genannt) gemacht und auch aus der Selbsthilfegruppe (nachfolgend SHG genannt) gab es nur wenige Informationen. Es wurde zum einen ein schriftlicher Test zum psychotherapeutischen Ausschlussverfahren hinsichtlich Komorbiditäten (Persönlichkeitsstörung, etc.) und eine genetische Chromosomenanalyse gemacht. Danach dann Diagnose F64.0 und Indikation zur HET.

Mit dieser Indikation vereinbarte ich einen Termin bei besagtem Urologen in Grimma zur Beratung zur HET. Es wurde nur die Indikation und die Krankenkassenkarte verlangt, danach Blut abgenommen und ein großes Blutbild im Labor angefordert. Danach das sehr kurze Beratungsgespräch. Auf meine Frage, mit welchen Nebenwirkungen ich denn rechnen müsse entgegnete der Urologe: „Naja, Penis und Hoden schrumpfen, das Testosteron sinkt, sie werden impotent und die Brüste wachsen halt!“

Das war seine ganze „Expertise“! Mehr nicht! Da wurde ich schon das erste Mal stutzig und direkt danach gleich das zweite Mal, denn er druckte direkt schon die Rezepte aus. Ich war ziemlich verdutzt, da meine Erwartung eigentlich nur ein Beratungsgespräch war. Ich war aber zugegeben auch selbst sehr ungeduldig und geil auf die Rezepte!

Verordnet wurden:

Estradiol (E2) Tabletten 2mg (2-0-2) (Femoston Mono 2mg) und Androcur (Cyproteronacetat, CPA) 50mg Tabletten (1-0-0)

In der Apotheke war beides vorrätig und ich bekam beides auf Vorrat für 3 Monate. Vom Urologen bekam ich den Kontrolltermin in 3 Monaten und die Blutergebnisse 1 Woche später.

Nach der 2. Einnahme hatte ich schon erste Nebenwirkungen:

  • Libido war praktisch nicht mehr vorhanden
  • leichte Kopfschmerzen ca. 2 Std nach der morgendlichen Einnahme
  • Morgenübelkeit
  • Stimmungsschwankungen
  • Temperaturschwankungen
  • Schüttelfrost und kurze Zitteranfälle

Ich war mir durchaus bewusst, dass die HET ein enormer Eingriff in den menschlichen Organismus ist, also rechnete ich auch mit Nebenwirkungen. Dennoch sprach ich diese an als ich eine Woche später meine Blutergebnisse abholen wollte. Erster Kommentar der Sprechstundenhilfe auf die Frage nach meinem Blutbild: „Jaja, ist alles in Ordnung, da hätten Sie nicht extra herkommen müssen!“.

Dann, jedoch großes Erstaunen darüber, als ich darauf bestand, das Blutbild in schriftlicher Form ausgehändigt zu bekommen. Aber ich bekam es! Der Arzt selbst, auf das Thema der Nebenwirkungen angesprochen: „Das ist ganz normal, dass in der körperlichen Umgewöhnungsphase solche Nebenwirkungen auftreten, die ersten 3 Monate ändern wir erst mal nichts an der Dosierung. Wenn Sie Nebenwirkungen wie Hitzewallungen bekommen sagen Sie bitte Bescheid , dann müssen wir etwas ändern!“.

Ich gab mich damit zufrieden und ging wieder nach Haus. Die nächsten 10 Wochen behielt ich die Dosierung bei. Doch die Nebenwirkungen nahmen zu:

  • Aus der Morgenübelkeit wurde eine Morgenschläfrigkeit
  • Die Stimmung geriet mehrmals täglich außer Kontrolle, ich war leicht reizbar, was bei meinem sehr ruhigen Wesen auch Außenstehenden sehr stark auffiel
  • Ungefähr in der 6. Woche das erste Mal Hitzewallungen (da ich so etwas vorher noch nie hatte, überforderte mich die Situation, Kurzatmigkeit und Hyperventilieren aus Panik gegenüber diesem neuen Gefühl waren die Folge und ich fiel auf der Arbeit spontan in Ohnmacht!)

Folglich Arzt wieder angerufen, Bescheid gesagt und gefragt was ich machen soll. Am anderen Ende: Ratlosigkeit!

Wenn der Arzt keine Ahnung von gar nichts hat!

Da ich sonst keine Medikamente nahm und keine Vorerkrankungen hatte, konnte logischer Weise nur die HET schuld sein. Rat vom Urologen aus Grimma: „Weniger E2 (1-0-2) und mehr Androcur von 50mg auf 100mg/d!“

Das war ein fataler Fehler wie sich 2 Tage später herausstellen sollte:

Ich wachte morgens mit Kopfschmerzen auf und mit so schlimmen Kreislaufproblemen, dass ich mich beim Gang zum WC erbrach. Ich meldete mich krank und fuhr nach eigenem Ermessen Androcur (CPA) auf ein Viertel runter. Ich blieb dann drei Tage zuhause weil der Kreislauf sich nur langsam erholte.

Eine Woche später der erste Kontrolltermin mit erneuter Blutentnahme. Beim Gespräch erzählte ich von der Wirkung die mir aufgefallen war:

Ab Woche 10 einsetzendes Brustwachstum (empfindliche Brustwarzen und Spannung im Brustgewebe). Natürlich erzählte ich auch von den Nebenwirkungen. Reaktion vom Arzt: Dosierung beibehalten! (die welche ich mir selbst verordnet hatte!). Ich bat ihn darum Gel statt Tabletten zu bekommen. Reaktion: „Nein, ich verschreibe immer Tabletten, Gel löst allergische Hautreaktionen aus und erhöht das Thromboserisiko!“

Also weiter Tabletten und weiter Androcur…

Blutwerte ergaben folgendes:

LH ……….nicht erfasst
FSH ……..nicht erfasst
E2 ………..0,38nmol/L
T ………….1,28nmol/L

Alle weiteren wichtigen Werte wie Östron (E1) usw. wurden ebenso gar nicht erfasst. Ich bekam jedoch zumindest auf nachdrückliches bitten Progesteron verschrieben. Famenita 200mg (1-0-0).

Da die Auswertung der Blutergebnisse quasi keine war – denn wieder wurde nur gesagt „alles in Ordnung“ – begann ich mich im Internet zu informieren, welche Werte bei einer HET wichtig sind, wie man Blutergebnisse liest, bewertet und auswertet. Mir wurde schnell klar: An diesen Blutwerten ist überhaupt gar nichts in Ordnung!

Und es wurde noch schlimmer

Nachdem ich mit Nachdruck Progesteron hatte, begann ich im Mai 2017 oral mit der Einnahme (0-0-1). Androcur (CPA) wieder erhöht auf 50mg und statt der Tabletten gab es endlich auch E2 Gynokadingel (2-0-2). Zu diesem Zeitpunkt waren die Kopfschmerzen schon chronisch und die Stimmung schwankte stetig. Depressionen schlugen sich nieder in einer dauerhaften Nullbockstimmung aber ich zwang mich selbst weiterzumachen während ich händeringend einen anderen Hormonspezialisten suchte. Ich versuchte 2 Endokrinologen in Leipzig die beide nichts an der Dosierung ändern wollten.

Das nächste Blutergebnis ergab E2 – 240ng/ml und T kleiner 0,1ng/ml, also nicht mehr messbar. Ab dem Zeitpunkt als das Testosteron auf quasi 0 war ging es rasant bergab!

  • Depressionen wurden zum Dauerzustand,
  • Selbstmord erschien plötzlich doch wieder plausibel.
  • Kopfschmerzen,
  • Appetitlosigkeit,
  • Gliederschmerzen und
  • Ich bemerkte nach und nach eine Art Tinnitus auf dem linken Ohr, den ich zunächst nicht damit in Verbindung brachte.

Im August 2017 dann die neuen Blutergebnisse: E2 (Östradiol) pegelte sich bei 220 bis 260 pg/ml ein. Testosteron immer noch nicht messbar.

Etwa ab der 2. Augustwoche bekam ich wieder Kreislaufprobleme, dieses mal noch schlimmer als zuvor. Einmal wachte ich nachts auf und erbrach mich unmittelbar danach noch im Bett liegend, wurde ohnmächtig, erwachte im Flur liegend um direkt erneut zu erbrechen. In der ganzen Woche danach waren die Kreislaufprobleme so krass, dass ich gar nicht aufstehen konnte oder ich bekam spontan abends Anfälle von Schwindel und Zittern.

Ich ging wegen der Kreislaufprobleme zum Hausarzt, dieser war erst mal ratlos weil so etwas natürlich diverse Ursachen haben kann. Ich wurde zur HNO Ärztin geschickt, diese spülte die Gehörgänge durch, fand aber sonst nichts. Nach dem Durchspülen war der Tinnitus das erste Mal seit 3 Monaten weg. Jedoch nur für 1 Tag, dann war er wieder da, wie auch die Kopfschmerzen und der Schwindel. Wieder zum Hausarzt, dann zur Nuklearmedizin – Schilddrüsentest! Ergebnis: Schilddrüse leicht vergrößert sonst aber nicht auffällig. Somit konnte die Schilddrüse als Ursache auch ausgeschlossen werden.

Ich setzte schließlich Progesteron wieder ab, nahm aber weiter CPA und Gynokadin. Für 5 Tage hatte ich Ruhe, danach der nächste Kreislaufanfall. Wieder zum Hausarzt, Überweisung ans Uniklinikum – MRT – und siehe da: Ursache war ein etwa Walnussgroßer, gutartiger Gehirntumor der auf den Hörnerv drückte und somit sowohl Tinnitus, als auch die Kreislaufprobleme auslöste. Man wollte operieren aber erst mal noch abwarten ob sich dieser vergrößert. Ich lehnte die OP ab, aufgrund der Risiken!

Endlich die Erlösung

In den folgenden Wochen begann ich mich mit dem Thema HET auseinanderzusetzen. Ich lernte Miri kennen und die FB Gruppe Gesundheit. Ich las in vielen US-Studien, dass Androcur/CPA eben auch Tumore auslösen kann.
Miri empfahl mir dann Frau Dr. Birgit Hauser in Hohenstein-Ernstthal. Das waren zwar 120km Fahrt für eine Strecke, aber die Reise war es wert!

Es wurde ein anständiges Blutbild erfasst und ausführlich über Medikation gesprochen. Ich bekam E2 Pflaster, Lenzetto Spray und Gynokadin vorrätig, sowie Progestogel, Famenita 100mg und 200mg verordnet und den Rat CPA dringend abzusetzen. Die vielen Produkte bekam ich, um selbst mit der Dosierung und Darreichungsform probieren zu können.

Dies tat ich dann. Erster Effekt: 2 Hub Progestogel auf die Innenseiten Oberschenkel halfen innerhalb weniger Minuten gegen Kreislaufprobleme! Dummer Weise setzte ich CPA sofort auf Null anstatt es langsam auszuschleichen. Massive Kopfschmerzen und Entzugserscheinungen waren die Folge, so als würde man einen Entzug von einer Droge machen, nur eben kalter Entzug. Die Kopfschmerzen in den folgenden zwei Wochen waren kaum auszuhalten und kein Aspirin o.Ä. half dagegen, es wurde einfach nur schlimmer und schlimmer. Aber mein Kreislauf stabilisierte sich von Tag zu Tag, die Depristimmung war schon nach einem Tag verschwunden. Allerdings schossen E2 (Östradiol) und Testosteron erst mal hoch, E2 auf 840 pg/ml und Testo auf 15pg/ml!

Die Folge war: Ich sitze im Berufsschulunterricht im Hochsommer im Minirock und habe Spontanerrektionen! Eine sehr unangenehme Erfahrung! Aber Progestogel verschaffte stets Linderung aller Nebenerscheinungen.

Ich reduzierte E2 auf Pflaster (Fem7 – 50µg) und kompensierte Nebenerscheinungen mit Progestogel weitestgehend. Die Stimmung besserte sich und schwankte auch nicht mehr. Die Kopfschmerzen besserten sich nach zwei Wochen, der Tinnitus verschwand ganz, zuerst in ein Rauschen auf dem Ohr dann nach ca. sechs Wochen war es ganz weg. Nach sechs Wochen setzte das Brustwachstum wieder ein, dass zuvor bei Körbchengröße A stehen geblieben war und entwickelte sich zu einem kleinem B.

Im Oktober 2017 wurde dann, auf eigenen Wunsch ein zweites MRT gemacht. Ergebnis: Der Tumor hatte sich zurückentwickelt und war kaum noch zu sehen!

Nachdem sich die Werte normalisierten, steigerte ich im zwei Wochen Takt stufenweise E2 auf 6 Hub Gynokadin am Tag (3-0-3), Famenita morgens eine Weichkapsel zu 100mg und abends eine zu 200mg, Progestogel nur noch selten bei Hormonschwankungen (man bekommt mit der Zeit ein gutes Gefühl dafür, wann E2 oder T zu hoch oder zu niedrig sind).

Ab diesem Zeitpunkt begann sich dann die HET das erste Mal zu normalisieren. Ich hatte seither nie wieder Nebenwirkungen und konnte dann auch weitere Feminisierungserfolge feststellen (Fettverteilung an Po und Oberschenkeln, Brustwachstum mit Tannerwachstumsstadien, Muskelabbau an den Oberarmen, Veränderungen des Hautbildes uvm…). Solche Verweiblichungserfolge konnte ich während den gesamten 11 Monaten mit Androcur (CPA) nicht feststellen.

Nach ca. drei Monaten ohne CPA, also nur mit E2 (Östradiol) und Progesteron, stabilisierten sich die Werte auf 240 bis 320 pg/ml E2 und Testosteron auf 0,6 bis 1,3 pg/ml. Dies erzeugt seit dem auch ein natürliches, feminines Körpergefühl.


Mehr Informationen zur Hormon-Ersatz-Therapie bei Mann zu Frau transsexuellen Menschen:

Hormon-Ersatz-Therapie in der Endokrinologie – Ein Buch mit sieben Siegeln? Oder eigentlich doch ganz einfach?

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5 Comments

  1. „Naja, Penis und Hoden schrumpfen, das Testosteron sinkt, sie werden impotent und die Brüste wachsen halt!“

    Prima Patienteninformation, die eigentlich schon den Kern des Problems enthält: CPA zerstört die Basis der späteren Neovagina und Neoklitoris. Wer’s braucht, sollte das also dringend machen, sich aber nachher nicht beklagen, ’s wäre zu wenig Material für den Umbau da. Daß der Testosteronspiegel sehr schnell auf Null ging, was natürlich auch so ein Schuß in den eigenen Fuß, denn bei Frauen ist ein gewisses Mindestlevel an Testosteron vorhanden und das aktivierende Hormon. Wenn dann evtl. noch Funktionsstörungen der Schilddrüse hinzu kommen, sowas sollte vorher unbedingt abgeklärt werden, ist CPA die beste Methode, sich in den Abgrund der Antriebslosigkeit und ggf. Depression zu stürzen. Die entstehende Impotenz ist also weitergehender als nur sexuell.

    Die Estradioldosis von 2 mg per Tag war dagegen schon ganz okay, obwohl ich durchaus 4 mg oral als Tagesdosis empfehlen würde. Sowas sollte aber individuell eingestellt werden, da gibt es keine Allgemeinregel. Soweit mir bekannt ist, senkt eine niedrige bis mittlere Tagesdosis Estradiol den LH-Wert (Lutëinisierendes Hormon) sanft soweit ab, daß der Testosteronspiegel von ganz allein nach unten geht. Das dauert zwar etwas länger als die aus meiner Sicht sehr männlich geprägte Hauruck-Methode mit dem Holzhammer CPA, ist aber dafür sehr viel sanfter und körperverträglicher. Tja, und das Brustwachstum setzt auch mit einer reinen Estradiol-Behandlung ein, ganz ohne CPA.

    Meine Erfahrung hat mir gezeigt, daß viele Ärzte auch nicht mehr über eine HET wissen als das Wort mal gehört zu haben. Das gilt auch für Fachärzte. Die doktern dann ins Blaue rein mit schnell angelesenem Informationen herum. Aber auch selbst Auskenner unter den Fachärzten behandeln oft genug nach dem Schema „kennste einen Fall, kennste alle“ die Patient*innen nach einem Einheitsmodus. Schnell verdientes Geld ohne große Mühe, denn viel bringt ein höherer Aufwand nicht, kostet aber mehr. Böse gesagt, aber es gilt: Wir wären gut anstatt so roh, doch die Verhältnisse, die sind nicht so.

    Wer’s nur irgend kann, lese sich sich Informationen über eine HET an, ebenso Informationen über den eigenen Körper und seine Reaktionen. Dieses Wissen ist notwendig für Menschen, die so gravierende Änderungen ihres Körpers planen und nicht vom Medizinbetrieb überfahren werden wollen. Damit kann man den Weißkitteln auch besser auf die Finger schauen und ihnen unbequeme Fragen stellen. Kommt dann die Antwort, wozu man denn das wissen wolle, sucht man sich besser einen anderen Behandler.

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