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Gleich, Gleicher, Ungleich – Viele sind gleicher als gleich – Manche einfach ungleich

Ein Beitrag von Christin Löhner

Aktuell hört und liest man beinahe jeden Tag von irgendeinem brutalen Übergriff gegen Homosexuelle oder auch transsexuelle Menschen. Aktuell scheint es in Berlin ganz schlimm zu sein. Dort werden sie zusammen getreten, verprügelt, bespuckt, beleidigt oder sogar vor die S-Bahn gestoßen. (Anm. vermutlich liegt es daran, dass einfach mehr davon berichtet wird und auch mehr angezeigt wird)

Jährlich steigt die Zahl der weltweit ermordeten Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (Transsexualität)! Hatten wir im Jahr 2008 noch rund 150 gewaltsam zu Tode gekommene transsexuelle Menschen weltweit, so waren es im Jahr 2018 ganze ~2982 transsexuelle Menschen, die erschlagen, ermordet, gefoltert, zu Tode geprügelt wurden! Und im Jahr 2019 scheint die Zahl noch höher zu werden! Es wird endlich Zeit, dass diese Zahl rückläufig wird!

In Deutschland, in der Stadt Köln, an einem CSD findet eine der wohl haarsträubendsten und willkürlichsten homophoben Attacken der Kölner Polizei gegen einen CSD Beteiligten statt.

Dass in Deutschland einige Menschen gleicher als andere sind, ist kein Geheimnis. Dass manche aber ungleicher sind als Andere und eine Ungleichbehandlung legitim wäre, das ist neu:

„Nur Gleiches muss gleich behandelt werden, Ungleiches muss ungleich behandelt werden“

Rede von MdB Axel Müller (CDU) vom 17.05.2019 – Deutscher Bundestag

Herr MdB Axel Müller (CDU) sagte diesen Satz am Ende seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 17. Mai 2019. In seiner Rede war er der Ansicht, dass es der Regierung erlaubt sei, eine Ungleichbehandlung von transsexuellen und intersexuellen Menschen in Gesetzen festzuschreiben. Transsexuelle Menschen seien nicht gleich, wie intersexuelle Menschen und hätten deshalb auch nicht dieselben Rechtsansprüche, so MdB Axel Müller.

„Guckt euch doch mal die Männer von heute an! Wer war denn von euch vor kurzem mal in Berlin, da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette.“

Rede der CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vom 28.02.2019 – Stockacher Narrengericht

Die CDU-Vorsitzende Frau Annegret Kramp-Karrenbauer machte sich, als starke, emanzipierte und hochangesehene Frau dort, in ihrer Rede als „Angeklagte“ vor dem Stockacher Narrengericht, über eine sehr schwache Minderheit aufs derbste lustig. Fasching ist dazu da, dass die schwachen Minderheiten sich über die Großen und Starken lustig machen können und nicht dazu, dass die Starken, Reichen und Angesehenen sich noch mehr über die Kleinen und Schwachen amüsieren und diese Minderheiten noch mehr runter machen.

„Das sollten wir in Deutschland auch machen!“

Zwischenruf von  MdL Andreas Gehlmann (AfD) im Juni 2019 – Landtag Sachsen-Anhalt

Dieser Zwischenruf von MdL Andreas Gehlmann war im Juni 2016 im Landtag von Sachsen-Anhalt zu vernehmen, als es darum ging, ob künftig auch die Asylanträge von Menschen aus Algerien, Marokko sowie Tunesien standardmäßig abgelehnt werden sollen, wie es der Bundestag bereits beschlossen hat. Die Linken-Abgeordnete Henriette Quade kritisierte, dass die drei Maghreb-Staaten keineswegs sicher seien, insbesondere nicht für Homosexuelle:: Für sie sei die Sicherheitslage mehr als prekär, Homosexualität sei „verboten und in höchstem Maße tabuisiert“. Und weiter: „Wer Homosexualität offen auslebe, dem drohe Gefängnisstrafe.“. Nach dem letzten Satz verzeichnet das vorläufige Protokoll diesen Zwischenruf des AfD-Abgeordneten Andreas Gehlmann.

AfD-Politiker bezeichneten 2018 Diskriminierungsschutz für Homo- und Transsexuelle als „dekadent„, Aufklärung über LGBTI in Schulen als „Gehirnwäsche“ oder warnen vor heiratenden Homosexuellen als „unbiblisch“ oder gar als Weg in den „Volkstod„. Aids-Kranke wurden außerdem als Preis „für ein dekadentes Gesellschaftsmodell“ beschimpft.

Die Ablehnung von Homo- oder Transsexuellen gehört zur DNA der katholischen Kirche – besonders in der Führungsetage. Dieses Jahr erwiesen sich die Angriffe als besonders aggressiv, da viele Bischöfe mit Homophobie vom Missbrauchsskandal ihres Arbeitgebers ablenken wollen. Der schweizerische Weihbischof Marian Eleganti sieht Schwule etwa zu „90 Prozent“ in der Verantwortung für innerkirchlichen Missbrauch und bescheinigt ihnen gleichzeitig, keine „ebenso wertvolle Variante der Schöpfung“ zu sein. Sogar Gerhard Ludwig Kardinal Müller, der jahrelang die mächtige Glaubenskongregation anführte, machte ein „homosexuelles Netzwerk“, das „mafiaartig“ agiere, für den Missbrauch verantwortlich. Der amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke behauptete, dass ein „sehr schwerwiegendes Problem der homosexuelle Kultur“ in der Kirche existiere, das für die Übergriffe verantwortlich sei.

Die aktuelle Bundesregierung will bei LGBTI-Rechten nur wenig unternehmen: Im Koalitionsvertrag, der im Februar 2018 vorgestellt wurde, ist sehr wenig Engagement in diesem Bereich zu erkennen – zudem ist der Text unverbindlich. Dabei gibt es beispielsweise noch immer keinen bundesweiten Aktionsplan gegen Homophobie und transphobie, der diesen Namen auch verdient – obgleich bereits die Vorgängerregierung diesen 2013 im Koalitionsvertrag versprochen hatte.

Stattdessen setzt die Regierung auf kleinste, dahingeworfene Bröckchen:  Nachdem das Bundesverfassungsgericht im vorletzten Jahr das Recht auf einen dritten Geschlechtseintrag feststellte, setzte die Regierung auf eine Minimallösung für Intersexuelle, die von allen Seiten kritisiert wurde.

Seit 1981 gibt es das Transsexuellengesetz (TSG). Und trotz dem es vom Bundesverfassungsgericht durch zahlreiche Urteile zu weiten Teilen als verfassungswidrig erklärt wurde, gibt es das Transsexuellengesetz immer noch!

30 Jahre – bis 2011 – hat es gebraucht, bis das bisher letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Zwangssterilisation beziehungsweise Zwangskastration abgeschafft hat, die bis dato zur Personenstandsänderung, also zum Ändern des Geschlechtseintrages, notwendig war!

Seit dem steht dieses menschenverachtende und vor allem menschenrechtsverletzende Nebengesetz zwischen uns Menschen mit Variante der Geschlechtsentwicklung und den Menschen, die uns, aufgrund dieses zwangs- und fremdbestimmenden Gesetzes, als Perverse, als Kranke, als Psychopathen, als Freaks, als Randgruppe oder als Minderheit ansehen.

Und dann kommt auf einmal das Bundesinnenministerium mit diesem “Referentenentwurf“, der das Transsexuellengesetz ersetzen sollte und gibt uns, den Betroffenen, also denen, die es betrifft, gerade einmal zwei Tage (2 Tage) Zeit, um darauf zu reagieren und unsere Meinung zu diesem unsäglichen Versuch, uns mit Augenwischerei im Prinzip genau die gleiche Zwangsbegutachtung und das gleiche menschenrechtsverletzende Gebahren unterzujubeln, abzugeben.

Zu unserem Glück haben alle Betroffenen und alle Vereine, die es betrifft, zusammen gearbeitet und diesen Referentenentwurf in der Luft zerrissen. Seit dem dümpelt dieser Entwurf, der nicht mal das Papier wert ist, auf dem er geschrieben wurde, in irgendeiner Schublade eines Politikers vor sich hin.

Warum, wagt es keiner dieser Politiker, sich mal mit uns Betroffenen an einen Tisch zu setzen und gemeinsam mit uns eine wirkliche Lösung auszuarbeiten? Dabei wäre das alles so einfach: Jede unserer Forderungen, jedes unserer Rechte, jeden unserer Wünsche könnte man ganz einfach und simpel in bereits bestehende Gesetze einarbeiten, ohne uns wieder einer Zwangsbegutachtung oder Fremdbestinmmung zu unterwerfen! Völlig egal ob es die Vornamens- und/oder Personenstandsänderung ist, Adoption, Kinder, Ehe, Offenbahrungsverbot oder was auch immer wir noch so fordern.

Statt dessen kommt die FDP mit einem neuen Gesetzesentwurf daher, der auch wieder nur dazu dient, uns zu stigmatisieren, auszugrenzen und als andersartig abzustempeln! Ja, er soll das Transsexuellengesetz abschaffen und dafür ein Gesetz zur Selbstbestimmung etablieren. Doch Sondergesetze sind für „Sondermenschen“. Ein spezielles Gesetz für Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, auch wenn es der Selbstbestimmung dienen soll, dient lediglich wieder dazu, uns weiter zu stigmatisieren, zu diskriminieren und uns als „besondere“, „spezielle“ oder „andere“ Menschen anzusehen.

Transsexuelle Menschen werden in Deutschland immer noch stigmatisiert und psychopathologisiert! Wir werden wie Vieh, das zum Verkauf steht,  zwangsbegutachtet und fremdbestimmt!

Wie war das, was stand da noch mal gleich in unserem Grundgesetz?

  1. Absatz 1:
    Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
  2. Absatz 1:
    Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
  3. Absatz 1:
    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Wofür haben wir dieses wunderschöne Grundgesetz? Damit sich die Politiker den Arsch damit abwischen?

Jetzt mal ganz im Ernst:

Wie weit ist es in Deutschland gekommen, dass wir  LGBTIQ* angehörigen Menschen um unsere Gleichheit, unsere Freiheit, unsere Gesundheit und unser Leben fürchten müssen?

Ist das der Sinn unseres Grundgesetzes? Dass manche Menschen nun mal gleicher und andere ungleicher behandelt werden?

Es ist endlich an der Zeit, dass sich etwas ändert!

Es ist an der Zeit, dass Sie, als Politiker, der Sie ja uns Menschen und Bürger verpflichtet sind, aufstehen, mutig sind und den ersten Schritt in Richtung wirklicher Gleichberechtigung machen!

Dies sind unsere wichtigsten und schärfsten Forderungen:

  • Abschaffung des Transsexuellengesetz und Anpassung von § 45b PStG in Hinblick auf Transsexuelle Menschen, um Fremdbestimmung und Zwangsbegutachtung zu unterbinden!
  • Abschaffung der Gatekeeper (Psychologische oder Psychiatrische Begutachtung) für die, für transsexuelle Menschen, lebensnotwendigen medizinischen Maßnahmen
  • Verbot von geschlechtsangleichenden Eingriffen bei intersexuellen Menschen ohne deren ausdrückliche Zustimmung
  • Verbot von Konversionstherapien zur „Heilung“ von Transsexualität
  • Abstammungsrecht modernisieren, um Regenbogenfamilien zu stärken
  • Selbstverständliche Akzeptanz in den Herzen und Köpfen der Menschen
  • Sichtbarkeit/Repräsentation der vielfältigen Lebensrealitäten: im Alltag, am Arbeitsplatz, in Medien, in der Freizeit, in Politik/Verwaltung etc.
  • Vielfalt über eine inklusive Sprache sichtbar machen
  • Bundesweiten Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie auflegen
  • Gewalttaten gegen LGBTIQ* statistisch erfassen, Hassverbrechen ahnden
  • Beratungsangebote von der/für die Regenbogen-Community ausbauen
  • Förderung der Beiträge von LGBTIQ* zur Kultur
  • Coming Out positiv begleiten – in Familie, Freundeskreis, Freizeit und am Arbeitsplatz
  • Ehrenamtliche Strukturen und Selbsthilfe fördern – ideell wie finanziell
  • Adäquate Räume für die Arbeit/Vernetzung der Community schaffen
  • Gesellschaftliche Vielfalt bei der Besetzung von Gremien beachten, z.B. im Rundfunkrat oder in Ausschüssen in Stadt und Land etc.
  • Landesaktionsplan „Für Akzeptanz & gleiche Rechte“ langfristig absichern und Maßnahmen gegen Diskriminierung konsequent umsetzen
  • Lebensrealitäten in Bildungsplänen verankern, Bestehendes fortschreiben und Bildungsarbeit mit Jugendlichen fördern
  • Lehrkräfte im wertschätzenden Umgang mit Vielfalt sensibilisieren
  • Diskriminierungsfreie Rehabilitierung der nach § 175 StGB Verurteilten und Verfolgten
  • Aufarbeitung der Verfolgungs-/Emanzipationsgeschichte, besonders mit Blick auf lesbische und bisexuelle Frauen sowie transsexuelle und intersexuelle Menschen
  • Blutspende für homo- und bisexuelle Männer ohne Jahreskarenz
  • Den vom Europaparlament beschlossenen Lunacek-Bericht zur Bekämpfung von Homo-/Transphobie gegen Diskriminierung umsetzen
  • Eindeutige Regelungen für „sichere Herkunftsländer“ mit Blick auf LGBTIQ*-Geflüchtete unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse bei Unterbringung und Betreuung
  • Für die weltweite Wahrung der Menschenrechte in internationalen Beziehungen sowie in der Entwicklungshilfe eintreten

Fangt endlich an uns ernst zu nehmen!!!

 

Gez. Christin Löhner

 

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